Hintergrund: Das Charter-System der NASCAR erklärt
NASCAR hat 2016 ein Chartersystem als Teamstruktur für die Cup Series eingeführt – Doch welche Vorteile haben die Franchisenehmer dank eines Vertrages?
Seit der Saison 2016 hat sich die wirtschaftliche und sportliche Struktur der NASCAR Cup Series grundlegend gewandelt. Das sogenannte Chartersystem garantiert seither 36 Teams einen festen Startplatz in jedem Saisonrennen sowie einen gesicherten Anteil an den Einnahmen aus TV-Geldern und Preisgeldern, unabhängig von der sportlichen Tagesform.
Um das aktuelle Beben in der NASCAR-Welt zu verstehen, muss man einen Blick auf die Mechanik dieses Systems werfen. Im Kern funktioniert ein Charter ähnlich wie eine Franchise-Lizenz in anderen US-Sportarten, auch wenn die NASCAR-Besitzerfamilie France diesen Begriff tunlichst vermeidet.
Es gibt genau 36 dieser Lizenzen. Ein Team, das einen Charter besitzt, ist automatisch für alle 36 Punktrennen – inklusive des prestigeträchtigen Daytona 500 – qualifiziert. Da das Feld auf maximal 40 Fahrzeuge begrenzt ist, streiten sich die sogenannten „Open Teams“ (Teams ohne Charter) Woche für Woche um die verbleibenden vier Startplätze, wenn es mehr als 40 Meldungen für ein Rennen gibt.
Vom unabhängigen Unternehmer zum Franchise-Nehmer
Vor der Einführung dieses Systems im Jahr 2016 agierten die Rennställe als reine unabhängige Teams. Das bedeutete ein hohes unternehmerisches Risiko: Wer sich nicht qualifizierte, verdiente kein Geld und verärgerte Sponsoren.
Schlimmer noch: Wenn ein Teambesitzer den Rennbetrieb einstellte, konnte er lediglich seine Hardware – Autos, Werkzeuge, Transporter – verkaufen. Einen immateriellen Unternehmenswert gab es faktisch nicht.
Das Chartersystem sollte genau das ändern. Rob Kauffman, der damalige Miteigentümer von Michael Waltrip Racing und treibende Kraft hinter der Gründung der „Race Team Alliance“ (RTA), forcierte dieses Modell, um den Teams Investitionssicherheit zu geben. Die Idee: Ein Charter ist ein handelbares Gut.
Er kann verkauft, verleast oder als Sicherheit für Kredite hinterlegt werden. Die Preise für diese Lizenzen explodierten in den vergangenen Jahren förmlich. Wurden frühe Charter noch für Beträge im niedrigen einstelligen Millionenbereich gehandelt, erreichte der Wert zuletzt Spitzen von bis zu 40 Millionen US-Dollar – wie beim Verkauf des Charters von Stewart-Haas Racing an Spire Motorsports.
Die Geldverteilung und neuste Entwicklungen
Wirtschaftlich ist der Besitz eines Charters überlebenswichtig. Die Einnahmen aus dem gigantischen TV-Vertrag der NASCAR werden nach einem festen Schlüssel verteilt, wobei Charterteams den Löwenanteil erhalten. Ein Open-Team hingegen fährt quasi nur um das Preisgeld des jeweiligen Rennens, was den Betrieb auf Dauer kaum rentabel macht.
Dies zwingt neue Investoren fast zwangsläufig dazu, sich in das System einzukaufen, anstatt ein neues Team von Grund auf aufzubauen.
War ein Chartervertrag früher nicht für die Ewigkeit, hat sich das mit dem Rechtsstreit zwischen NASCAR und 23XI sowie Front Row Motorsports verändert. Die Teams und die Serie einigten sich nach wenigen Prozesstagen außergerichtlich. Ein wichtiger Deal dabei ist, dass die Charterverträge nun unbefristet an die Teams gehen, auch wenn Details der wirtschaftlichen Ausgestaltung regelmäßig neu verhandelt werden.
Autor(en)
Andrés Faszination für den Motorsport begann in seiner Kindheit, als er regelmäßig Ovalrennen in den Niederlanden besuchte und abends NASCAR- sowie IndyCar-Rennen im TV verfolgte. Während seines Ökonomiestudiums begann er 2014 als Hobby-Redakteur über den Rennsport zu schreiben und machte seine Leidenschaft zum Beruf. Heute ist er NASCAR-Kommentator bei Sportdigital1+ und begleitet IndyCar & IMSA live auf Motorvision+ – dazu kommen viele weitere Rennserien im Highlights-Format. Als Redakteur schreibt er für Motorsport-Total, Motorsport.com und Formel1.de und ist zudem Reporter, Kommentator und Redakteur im Mediateam der NASCAR Euro Series.





