Goodyear setzt in Bristol auf weichere rechte Reifen: Strategie könnte das Rennen entscheiden

Bristol sorgte 2024 und 2025 für Reifen-Debatten in der NASCAR Cup Series – Beim Nachtrennen im September wird sich zeigen, ob Goodyear die Antworten hat
Das Playoff-Wochenende in Bristol steht im Zeichen einer Reifenfrage, die NASCAR seit dem legendären Frühjahrsrennen 2024 nicht mehr loslässt. Damals führte ein ungewöhnlich hoher Verschleiß zu nicht weniger als 54 Führungswechseln – ein Rekord für Short-Tracks in der Cup Series, weil die Fahrer mit ständig abbauenden Pneus um jede Runde kämpften.
Ein Jahr später, im Frühjahr 2025, war die Situation unter anderen Bedingungen nicht mehr extrem, wenngleich die lange Lebensdauer der Reifen auf der rechten Seite von vielen Crews immer noch kritisch beäugt wurde.
Nun, im Herbst 2025, greift Goodyear mit einer weicheren Mischung für die rechte Seite erneut in die Variablen ein und stellt die Teams damit vor die Frage, wie stark der Faktor Reifenmanagement in diesem Nachtrennen wirklich zum Tragen kommt.
Kühle Frühjahrsrennen vs. warme Septembernacht
Die Grundlage der Entscheidung liegt in den Wetterunterschieden: 2024 wurde bei kühlen Temperaturen gefahren, die Strecke war blanker Beton, und NASCAR hatte statt des bewährten PJ1 ein Harz aufgetragen. In dieser Kombination konnte die Strecke nur schlecht Gummi aufnehmen, wodurch der Abrieb auf den Reifen massiv anstieg.
2025 im Frühjahr waren die Bedingungen stabiler, weshalb die rechten Reifen in manchen Runs 120 bis 150 Runden hielten – länger, als es sich viele Fahrer und Crews wünschen.
Für das Nachtrennen 2025 erwartet Goodyear nun ein Szenario, in dem die Strecke am Tag Hitze aufnimmt und sich am Abend sukzessive abkühlt.
„Der Reifen ist weicher, aber nicht in dem Sinne, dass wir versuchen, mehr Grip auf die Strecke zu bringen“, erklärte Goodyear-Projektmanager Mark Keto bei Motorsport.com. „Er ist weicher, weil wir versuchen, mehr Abrieb des Materials zu erzeugen, wenn die Strecke mit Gummi bedeckt ist.“
Damit soll verhindert werden, dass die Mischung auf der rechten Seite erneut deutlich über 100 Runden hält, denn das Ziel ist, die Stints eher im Bereich von 70 bis 100 Runden enden zu lassen.
Harz oder PJ1 – kleine Chemie, große Wirkung
Wesentlich für die Charakteristik in Bristol ist auch das Thema Traktionsmittel. Während der „PJ1 Track Bite“ die Oberfläche klebrig macht und den Fahrern sofort zusätzlichen Grip verschafft, sorgt das Harz lediglich dafür, dass die Strecke Gummi besser aufnimmt, ohne selbst direkt Haftung zu erzeugen.
Gerade 2024 zeigte sich, wie stark dieser Unterschied die Dynamik verändern kann: Weil die Oberfläche kalt blieb und das Harz den Reifenabrieb nicht binden konnte, verschlissen die Pneus bereits nach 30 bis 40 Runden, und der Reifenabbau bestimmte das gesamte Rennen. Im September-Rennen 2025 kommt auf der unteren Linie ein kleiner Streifen PJ1 zum Einsatz – also der „Sticky-Stuff“.
Stimmen aus dem Fahrerlager
Im Vorfeld der Playoffs rechnen die Teams dennoch nicht automatisch mit einem neuen „Reifenkrimi“. Chase Elliott, Cup-Champion von 2020, warnte vor einer einseitigen Vorbereitung: „Ich denke, wir müssen uns auf ein normales Bristol-Rennen vorbereiten. Wenn wir alles auf eine Karte setzen und versuchen, die Reifen zu schonen, würden wir zu viel riskieren, wenn das Rennen so verläuft wie in den vergangenen Jahren.“
Auch Hendrick-Crew-Chief Rudy Fugle, verantwortlich für den Chevrolet von William Byron, zeigt sich bei SiriusXM NASCAR Radio pragmatisch: „Das Schwierigste an diesem Wochenende wird die Entscheidung über die zu verwendenden Stürze sein und welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, um die Reifen zu schonen, wenn wir glauben, dass dies ein Problem sein könnte. Denn wenn sich die Strecke eingroovt und dies kein Problem darstellt, würden wir es bereuen, nicht das gesamte Potenzial der rechten Reifen ausgeschöpft zu haben.“
Erkenntnisse nach dem Training
Brad Keselowski brachte es nach dem Training am Freitagabend pointiert auf den Punkt: „Unser wöchentliches Wissenschaftsexperiment geht weiter.“ Es scheint nämlich so zu sein, dass Goodyear sein Ziel verfehlen wird. „Die Reifen haben heute wirklich, wirklich gut gehalten“, sagte Keselowski. „Das hat mich überrascht, aber morgen wird die eigentliche Bewährungsprobe. Mit mehr Autos auf der Strecke und unter Flutlicht wird das ein anderer Test.“
Eine echte Überraschung erlebte AJ Allmendinger, der in Bristol seine erste Pole seit zehn Jahren und zugleich seine erste auf einem Oval einfuhr. „Ich weiß, dass Freitags-Qualifying keine Punkte oder Preisgeld bringt, aber das sind kleine Siege für unser Team“, erklärte der Kaulig-Pilot.
„Solche Tage geben mir Selbstvertrauen, weil sie mir beweisen, dass ich es noch kann.“ Auch er beobachtete im Training, dass die Reifen stabil blieben: „Wir sind 60 Runden gefahren, ein bisschen Abbau war da, aber kein extremer Einbruch.“
Austin Cindric führte die Unterschiede klar auf die Witterung zurück: „Das massive Reifenchaos im Frühjahr 2024 kam bei Temperaturen unter 15 Grad Celsuis zustande. Da nimmt die Strecke kein Gummi auf“, so der Penske-Pilot. „Diesmal war es wärmer, deswegen überrascht mich das Ergebnis nicht. Vielleicht gibt es zum Ende der Stints etwas Abbau, aber nichts wie in diesem Frühling.“
Für Byron wäre es ohnehin unfair, wenn die Playoffs durch einen Reifenpoker entschieden würden: „Wenn alles normal läuft, ist es kein Problem“, so der Hendrick-Fahrer. „Aber wenn wir hier plötzlich reihenweise Reifen zerlegen, wäre das nicht fair. Wir sind die ganze Saison mit einem bestimmten Paket gefahren – und hier sollte es nicht plötzlich etwas völlig anderes geben.“
Teamkollege Elliott ging die Debatte gelassen an: „Ich werde mich deswegen nicht stressen. Ich habe darauf keinen Einfluss und will auch nicht so tun, als hätte ich die Antworten. Wir Fahrer haben unsere Meinungen, aber am Ende liegt es nicht in unserer Hand.“
Fazit
Damit ist klar: Während Goodyear mit einer gezielten Änderung der Mischung für die rechte Seite die Variablen für das Bristol-Nachtrennen neu sortiert, liegt es an den Teams, ob sie den Fokus auf Reifenmanagement legen oder das Risiko eingehen, die volle Pace auszuspielen. Angesichts der Erfahrungen aus 2024 und 2025 bleibt die Unsicherheit bestehen, ob sich daraus erneut ein strategischer Krimi entwickelt.
Entscheidet nicht zuletzt die Balance zwischen Temperatur, Gummi-Aufnahme der Strecke und dem Mut der Crew-Chiefs, das letzte Quäntchen Grip aus der weicheren Mischung herauszufahren. Das Rennen findet in der Nacht von Samstag auf Sonntag statt und wird ab 1:00 Uhr auf Sportdigital1+ übertragen.