Team-Konflikt bei Joe Gibbs Racing: Bringt ein Dreher Hamlins Titelchancen zum Platzen?

Aus Frust über Ty Gibbs‘ harte Fahrweise im Playoff-Rennen von New Hampshire schickte Denny Hamlin seinen Teamkollegen in die Mauer – Die Eskalation bei Joe Gibbs Racing droht nun, Hamlins eigene Titelträume zu beenden
Das Playoff-Rennen in Loudon bot reichlich Action, doch das größte Drama spielte sich teamintern bei Joe Gibbs Racing ab. Ein Zwischenfall zwischen dem Meisterschaftskandidaten Denny Hamlin und Ty Gibbs, dem Enkel des Teambesitzers, eskalierte und droht, Hamlins Titelambitionen zu gefährden.
In der 110. Runde auf dem New Hampshire Motor Speedway gerieten die beiden Joe-Gibbs-Fahrer aneinander. Im Zentrum: die #11 und die #54. Die JGR-Piloten Hamlin und Christopher Bell kämpfen in den Playoffs um den Titel, während Gibbs sich nicht für die Enrunde qualifiziert hatte. Dennoch machte der Fahrer der #54 seinen Kollegen das Leben schwer und hielt sie mehrere Runden auf.
Für den Hamlin, der um jeden wichtigen Punkt für die nächste Playoff-Runde kämpfte, war die Geduld am Ende. Bereits kurz vor dem Vorfall war sein Frust am Funk zu hören: „Weiß Ty [Gibbs] überhaupt, dass wir um einen Titel fahren? What the fuck!“, schrie er in sein Mikrofon. Wenige Augenblicke später kam es zum Kontakt. Hamlin schob den jungen Teamkollegen in Kurve 2 an, Gibbs verlor die Kontrolle und schlug in die Mauer ein.
Frustration bei Gibbs
Gibbs konnte das Rennen zunächst fortsetzen und funkte noch kämpferisch „Game on“, musste seinen beschädigten Toyota aber wenige Runden später abstellen. Nach seinem Ausscheiden zeigte sich der junge Fahrer im Interview mit NBC von seiner störrischsten Seite und erinnerte an die einsilbigen Interviews eines Kyle Busch.
Wirkliche Antworten verweigerte er konsequent. „Es ist blöd gelaufen, aber ich freue mich darauf, nächste Woche wieder zu fahren“, war alles, was er zu dem Vorfall sagte. Auf die Nachfrage, ob ein klärendes Gespräch, wie von Hamlin gefordert, nötig sei, reagierte er ausweichend: „Ja, wir werden nächste Woche ein gutes Rennen haben. Ich freue mich darauf.“
Zu hartes Racing
In seinem wöchentlichen Podcast „Actions Detrimental“ legte Hamlin seine Perspektive detailliert dar. Er warf Gibbs vor, für die Rennsituation viel zu aggressiv gefahren zu sein. „In meinen Augen ist er einfach übertrieben hart gefahren“, so der Rennfahrer aus Virginia. „Mir ist bewusst, dass sich einige Leute darüber aufregen werden, ‚zu hart gegen einen Teamkollegen zu fahren‘, und ich stimme zu, dass jeder fahren sollte, um das Rennen zu gewinnen.“
Allerdings unterscheidet Hamlin dabei zwischen Titelkandidaten und Nicht-Playoff-Teilnehmern „Wir – also Bell, Chase Briscoe und ich – kratzen und beißen uns um jeden einzelnen Stage-Punkt. Diese Punkte entscheiden für uns über Leben und Tod.“
Für den Routinier war klar: „Ich hatte einfach das Gefühl, dass mein Teamkollege nicht das am schwierigsten zu überholende Auto auf der Strecke sein sollte.“
Hamlin erklärte weiter, dass er den Dreher keineswegs beabsichtigt habe. Gibbs habe ihm wiederholt die Luft genommen („Air Blocking“) und den Weg abgeschnitten, was schließlich zum entscheidenden Kontakt geführt habe. „Ich wollte definitiv keinen Teamkollegen rausdrehen“, betonte der Pilot der Startnummer 11. „Ich habe versucht, mir Platz zum Racen zu schaffen, um an der #54 vorbeizukommen, und dabei ist es passiert.“
Fehlende Team-Anweisungen
Der Kern des Problems liegt für Hamlin in fehlenden Team-Anweisungen. Er fordert nun ein Eingreifen der Führungsebene: „Was ich mir wünsche, ist, dass die Führung einschreitet und uns sagt, was zu tun ist. Wenn sie wollen, dass wir ohne Rücksicht auf Verluste gegeneinander fahren, egal wie unsere Position in der Gesamtwertung ist, dann können wir das tun.“
Er verweist auf Konkurrenzteams wie Hendrick Motorsports oder Team Penske, die ihre Meisterschaftsanwärter besser schützen würden. „Wenn wir nicht nur gegen die Konkurrenz, sondern auch gegen die eigenen Teamkollegen am härtesten kämpfen müssen, können wir das Ganze gleich an den Nagel hängen.“
Die Führungsebene von JGR gibt sich bislang zurückhaltend. Chris Gabehart, Hamlins ehemaliger Crew-Chief und nun in einer höheren Position im Team, bezeichnete die Situation als eine „schwierige Balance“. Man könne keine Atmosphäre schaffen, in der sich alle „einfach geschlagen geben und nett zueinander sein müssen“, da man sonst keine Siege feiern würde. Dennoch räumte er ein: „Wir müssen das einfach ein bisschen besser ausbalancieren.“
Teambesitzer Joe Gibbs selbst hielt sich komplett heraus und erklärte, die Fahrer müssten das unter sich ausmachen: „Die Jungs sitzen am Steuer, also werden sie sich zusammensetzen und das untereinander klären.“
Harvick gießt Öl ins Feuer
Letztlich scheint eine Klärung in weiter Ferne. Der NASCAR-Champion von 2014, Kevin Harvick, goss in seinem Podcast „Kevin Harvicks Happy Hour“ weiter Öl ins Feuer und stellte sich auf die Seite von Gibbs.
„Das war Absicht“, analysierte er den Vorfall. „Man kann nicht verbergen, dass das absichtlich war. Die Frage, die ich mir stelle: Ist das der Moment, der Denny Hamlins Meisterschaftslauf 2025 zum Entgleisen bringt?“
Die Reaktion von Gibbs folgte prompt und ohne ein einziges Wort. Er repostete den Clip mit Harvicks Aussage in seiner Instagram-Story und fügte lediglich ein Emoji hinzu, das mit dem Finger auf Harvicks Worte zeigte. Eine klare Botschaft: Er teilt die Einschätzung, dass sein Teamkollege ihn vorsätzlich aus dem Rennen genommen hat.
Nach diesem Wochenende sind die Fronten verhärtet. Hamlin und Gibbs scheinen in dieser Frage meilenweit voneinander entfernt zu sein. Sollte es zu einem weiteren Zwischenfall zwischen den beiden kommen, könnte Harvick Recht behalten und Hamlins Traum vom lang ersehnten Titel würde wieder platzen.
Autor(en)
Eriks Begeisterung für den Motorsport entfaltete sich frühzeitig, als er gemeinsam mit seinem Vater den Sachsenring besuchte. Das dort stattfindende ADAC GT Masters war ein prägendes Erlebnis für ihn. 2017 entdeckte er durch Zufall NASCAR im Fernsehen und schaute gemeinsam mit seinem Vater, einem großen Fan, die Rennen. Schon als Simracer kommentierte er virtuelle Ligen für Abgefahren Community und Virtual Racing. So kam er in Kontakt mit der Welt der Kommentatoren. Im Laufe seines Lebens besuchte er zahlreiche Live-Events. Sein Interesse gilt nicht nur den Rennen selbst, sondern auch dem Geschehen im Fahrerlager. Um seine Leidenschaft weiter auszubauen, entschied er sich, bei Leadlap.de als Hobbyredakteur und Podcaster seine nächsten Schritte in der Medienwelt zu machen.