Jennifer Maas: “Motorsport ist für mich die größte Freiheit”

Jennifer Maas: “Motorsport ist für mich die größte Freiheit”
Foto: Frank Reipen

Jennifer Maas startet in der Saison 2024 in der V8 Oval Series auf dem Raceway Venray – Die Deutsche freut sich, nach einer Pause wieder ins Lenkrad zu greifen

Ein Leben ohne Motorsport: Das kommt für die Deutsche Jennifer Maas nicht in Frage. Nach einer Rennpause kehrte die Geschäftsführerin der Maas Group bereits 2023 für die letzten drei Renntage der V8 Oval Series (V8OS) auf dem Raceway Venray ins Cockpit zurück. In der Saison 2024 will die ehemalige Motocross-, Stockcar-F2- und EuroNASCAR-Pilotin wieder richtig Gas geben. Mit Leadlap.de sprach sie exklusiv über ihr Comeback.

“Ich bin überglücklich, wieder Rennen zu fahren”, sagte Maas vor dem Saisonauftakt der V8OS am Ostermontag. “Das ist einfach ein Teil von mir und ich liebe es, wenn es im Funk heißt ‘green, green, green’. Motorsport ist für mich die größte Freiheit, weil man eins wird mit dem Fahrzeug. Egal ob es ein Quad, ein Motorrad oder ein Stockcar ist. In der Startaufstellung, wenn die Spannung steigt, kann ich einfach alles ausblenden.”

“Man kann in einer ganz anderen Welt sein”, schwärmt Maas über den Adrenalinkick, den der Rennsport in ihr auslöst. Doch sie startet in der V8OS nicht nur, um Spaß am Steuer ihres ASCAR-Boliden zu haben, sondern möchte sich sukzessive verbessern, um im Laufe der Saison Spitzenergebnisse zu erzielen. Das spornt die Rennfahrerin an und sie arbeitet hart daran, ihre Pace zu verbessern.

Foto: Frank Reipen

“Ich nehme mir die Zeit, die ich brauche, um mich weiterzuentwickeln”, sagt Maas über ihre Pläne in der Late-Model-Serie auf dem Oval in den Niederlanden. Dank ihrer Ovalerfahrung aus der Stockcar F2 hat sich Maas schnell an die große Bahn mit ihren Bankings gewöhnt. Außerdem versucht sie, sich die Tricks der schnellen Konkurrenten abzuschauen, um Runde für Runde schneller zu werden. “Die Möglichkeit, auf diesem in Europa einzigartigen Oval zu fahren, ist einfach etwas ganz Besonderes”, so die Deutsche.

Maas hatte während ihrer Zwangspause nie mit dem Rennsport abgeschlossen, sondern nur auf den richtigen Zeitpunkt und die richtige Gelegenheit gewartet, um wieder Rennen zu fahren. Auch die Corona-Zeit spielte eine Rolle, warum die Pause länger dauerte als geplant. “Es war eine unsichere Zeit mit vielen Fragen. Da waren die Prioritäten anders, aber ich habe den Motorsport nie vergessen”, erinnert sich Maas, die sich für den Raceway Venray entschieden hat, weil die Bedingungen dort passen: Die Nähe zur Heimat, das besondere Flair des Ovals und auch die finanziellen Möglichkeiten, dort Motorsport zu betreiben.

Ohne Ziele geht es natürlich nicht, und so hat sich Maas vor der Saison klare Meilensteine gesetzt: “Ich möchte meine Zeiten verbessern, das ist klar. Für den Anfang bin ich schon gute Zeiten gefahren, aber die sind noch ausbaufähig. Ich muss das Auto und die Strecke erst kennenlernen. Es gibt eine Ideallinie, aber jeder Fahrer fährt anders. Ich muss also meine Linie finden. Das will ich schaffen, um mich deutlich zu verbessern. Ich will im guten Mittelfeld mitfahren.”

“Regen ist ein ganz anderes Thema”, sagt Maas und damit sind wir auch schon beim ersten Renntag der Saison 2024, doch dazu später mehr. Erst einmal musste der Umstieg von der Stockcar F2 in das Late Model gelingen. “Anders als im Motocross spielt das Alter im Automobil-Rennsport keine große Rolle”, sagt die 38-Jährige. “Für mich waren die Erfahrungen, die ich in der Stockcar F2 machen durfte, eine gute Basis, um in der V8OS Fuß zu fassen. 2023 bin ich besonnener, mit weniger Druck und Erwartungen in die für mich neue Serie auf dem großen Oval eingestiegen.”

Foto: Willem J. Staat

Auf dem kleinen Oval hatte sie bis zu 35 Konkurrenten auf der knapp 400 Meter langen Strecke. Auf dem großen Oval hat sie mehr Platz, muss aber auch lernen, mit dem bis zu 25 Grad steilen Banking umzugehen. Dafür sind die Late-Models deutlich schneller als die Stockcar-F2-Boliden. “Die Steilkurven muss man lernen. Ich muss es erst in den Kopf bekommen, die Geschwindigkeit in die Kurven mitzunehmen. Natürlich muss man bremsen, aber es ist ganz anders als im Stockcar F2. Es ist eher wie beim Motocross, wo es auch Steilkurven gibt, in denen man das Tempo mitnehmen muss.”

“Das ist der Schlüssel zum Erfolg, das Tempo mit in die Kurve zu nehmen”, stellt Maas klar. “Im F2-Stockcar bedeutet mehr Tempo in der Kurve, dass die Gefahr besteht, zu driften oder sich zu drehen.” Außerdem sind die Eigenschaften der Fahrzeuge sehr unterschiedlich: Die Stockcar F2 sind klein, leicht und leistungsstark. Die Late Models haben zwar mehr Leistung, sind aber deutlich schwerer und wuchtiger. “Ein ASCAR verzeiht weniger Fehler”, sagt sie. “Da kann ich keine ruckartigen Bewegungen oder Spielchen machen. Aber ich habe es schon zweimal geschafft, das ausbrechende Heck wieder einzufangen.”

Das Limit des Autos zu finden, sei “die größte Herausforderung”, erklärt die Rennfahrerin. Außerdem freut sich Maas über die Atmosphäre in der V8OS, denn die Stimmung im Fahrerlager sei sehr gut. “Die Fahrer reden miteinander und man kann hier wirklich über alles reden. Es gibt keine Scheu, auch mal kritische Dinge anzusprechen, und das finde ich wirklich toll. So macht es richtig Spaß, in einer so hart umkämpften Serie zu fahren.”

Doch wie ist Maas überhaupt in die V8OS gekommen? “Da muss ich erst einmal überlegen”, lacht sie. “Ich habe mit Barry Maessen gesprochen, der mich gefragt hat, ob ich nicht mal so ein Auto ausprobieren möchte. Natürlich hatte ich schon immer Interesse, aber der Einstieg war nicht so einfach. Ich habe auch mit Harry Maessen gesprochen, dem Besitzer der Rennstrecke. Aber ich hatte meine Zweifel, ob ich mit der Konkurrenz mithalten kann, ohne viel auf der Strecke zu trainieren.”

Ein Training in Venray ist nicht ohne weiteres möglich, da die Strecke strenge Lärmschutzbestimmungen einhalten muss. Maas hatte jedoch die Möglichkeit, einen ASCAR-Boliden beim offiziellen Training auszuprobieren. Allerdings hatte sie noch Bedenken, da sich die anderen Teams an diesem Tag auf den wichtigen Eurocup vorbereiteten. “Barry hat mir gut zugeredet und so bin ich am Samstag kurzfristig doch ins Auto gestiegen”, erinnert sich die Deutsche aus Kamp-Lintfort.

Foto: Michael Großgarten

“Aufgrund des Wetters war auf der Strecke nicht viel los und ich konnte sogar auf der freien Bahn testen”, so Maas weiter. „Mir wurde gesagt: ‚Das sieht doch gut aus, warum fährst du nicht das Rennen?’ Ich hatte wieder meine Zweifel, aber dann hatte ich tolle Gespräche im Fahrerlager. Ich bin dann am Sonntag zum Rookie-Test gefahren und musste das ärztliche Attest vorlegen, um die Lizenz zu bekommen. Marc Stegmeijer hat dann mit mir die Theorie gemacht, damit ich die Grundlagen habe. Der Rookie-Test war erfolgreich und die Zeiten stimmten, also bekam ich grünes Licht.”

“Das war ein unglaubliches Gefühl und ich bin allen sehr dankbar, die an mich geglaubt haben, als ich noch nicht hundertprozentig an mich geglaubt habe. Sie sind der Grund, warum ich heute da bin, wo ich bin”, freut sich Maas. “Dann habe ich das Auto über den Raceway Venray aufgebaut bekommen, die haben wirklich einen tollen Job gemacht. Henk Janssen kümmert sich um die streckeneigenen Fahrzeuge. Er hegt und pflegt sie. Im Moment hilft er mir, auf die Beine zu kommen. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er sein Wissen mit mir teilt. Er hat ein tolles Team um sich und geht mit all seiner Erfahrung auf meine Bedürfnisse ein.”

Maas startet mit der Startnummer 8, und das hat eine besondere Bedeutung: “Meine allererste Startnummer im Motocross war damals die Nummer 8. Außerdem ist die Quersumme von 2024 die Acht.” Nach den ersten Erfahrungen 2023 möchte Maas 2024 einfach an die Erfolge anknüpfen und den richtigen Flow entwickeln. “Ich würde natürlich gerne ein paar Jahre dort fahren und mich stetig weiterentwickeln”, erklärt sie.

Außerdem glaubt Maas an die Serie, die in Venray beheimatet ist. “Es gibt Serien, in denen nur das Material zählt. Da spielt das Geld eine große Rolle und man sieht das Talent nicht mehr. Das ist in der V8OS nicht der Fall. Da gibt es Autos, die sich sehr ähneln, und der Fahrer kann immer noch den Unterschied ausmachen. Die Unterschiede zwischen den Offset- und ASCAR-Autos werden durch das Reglement ausgeglichen. Und dann gibt es noch die Klassenwertungen”.

“Das gefällt mir auch am Kartsport und da fällt mir sofort die Daytona-Kartbahn in Essen ein”, sagt Maas. “Dort wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Karts auf dem gleichen Niveau sind und es macht viel Spaß, dort Rennen zu fahren. Das Gleiche gilt für die V8OS in Venray. Natürlich schafft es eine Serie oder eine Kartbahn nicht immer zu hundert Prozent, aber wenn es einigermaßen passt, dann gibt es spannende Rennen. In der V8OS spielt das Material keine so große Rolle. Ein guter Fahrer wird auch in einem mittelmäßigen Auto etwas reißen”.

“Die Fairness in den Rennen ist gegeben, das ist mir persönlich sehr wichtig”, erklärt die Deutsche. Auch das Konzept des Raceway Venray gefällt ihr. “Hier wird darauf geachtet, dass die Fahrer bezahlbaren Motorsport betreiben können. Natürlich gibt es Unterschiede, wer wie viel Geld in das Projekt investieren kann, aber hier kann man mit vernünftigen Mitteln noch erfolgreich Motorsport betreiben und das gefällt mir sehr gut.”

“Außerdem ist es toll, dass man kein eigenes Auto besitzen muss, sondern auch Autos mieten kann. Die Schäden sind auch bezahlbar, wenn mal ein Unfall passiert”, freut sich Maas über die gute Kostenkontrolle in der V8OS, in der die Ersatzteile im Vergleich zu anderen Serien noch erschwinglich sind. “Die Strecke ist einzigartig, sie ist das einzige Oval in Europa mit solch einem Banking. Sie ist in einem sehr guten Zustand und auch für die Zuschauer auf den Tribünen ist es etwas Besonderes, weil sie das komplette Rennen mit eigenen Augen sehen können.”

Maas lobt auch die Möglichkeit, sich als Fahrer in der V8OS zu engagieren. Die Fahrer können Einfluss auf die Serie nehmen, denn die Verantwortlichen hören auf die Fahrer, um das Racing und die Rahmenbedingungen für die Teams zu verbessern. “Wir können mitgestalten, weil man auch uns zuhört. Das finde ich super, weil so nicht Dritte die Entwicklung der Serie bestimmen”, so Maas. “Auch die Nähe zu den Fans passt, ebenso wie die Nähe zur Organisation. Maik Barten als Rennleiter hat auch für Newcomer wie mich ein offenes Ohr.”

Zurück zum Regen und damit zum ersten Renntag der Saison 2024 am Ostermontag. Das Freie Training fand auf nasser Strecke statt und auch im ersten Lauf waren Regenreifen gefragt. Erst ab dem zweiten Durchgang konnte auf Slicks gefahren werden. Maas musste sich erst an die schwierigen Bedingungen gewöhnen, fuhr aber mit soliden Leistungen auf Platz zehn in der Tageswertung und Platz zwei in der ASCAR-Klasse.

“Für mich war es das erste Mal auf Regenreifen”, sagt Maas. “Im Training habe ich meine persönlichen Ziele erreicht: das Auto weiter kennenzulernen, die Bremsen einzufahren und mit den Regenreifen zurechtzukommen, ohne das Auto zu schrotten. Im zweiten Training konnte ich weitere wertvolle Erfahrungen sammeln und meine Zeiten verbessern.”

Foto: Frank Reipen

Aufgrund der nassen Strecke hielt sich Maas im ersten der drei Rennen noch etwas zurück, um das Risiko eines Unfalls zu minimieren. “Ich habe nicht genug Temperatur in die Regenreifen bekommen”, erinnert sich die Deutsche. “Im zweiten Lauf war es dann trocken und wir konnten endlich auf Slicks starten. Da habe ich mich im Auto gleich besser gefühlt. Es war ein Renntag voller Herausforderungen, aber ich habe viel gelernt.”

“Ich möchte mich bei allen bedanken, die es mir ermöglichen, Motorsport zu leben”, sagt Maas, die dankbar für die Unterstützung des Raceway Venrays und ihren Partnern ist. “Ich danke meinem Sponsor Ride On Customs, vertreten durch Tino van Dijk [ein Konkurrent von Maas in der V8OS]. Ein besonderer Dank geht auch an Bo Pepels und Ivo, die in letzter Minute die Startnummer und meinen Namen geplottet haben, damit ich die Aufkleber auf das Auto kleben konnte und starten durfte. Danke auch an meine Familie und meine Freunde, die mich immer unterstützen. Es ist schön, von so tollen Menschen umgeben zu sein.”

Maas bedankt sich auch bei allen Journalisten, Fotografen, Videografen und den Fans an der Strecke, die das Fahren in der V8OS für die Piloten zu einem “besonderen” Moment machen. Maas wird am Pfingstmontag, dem 20. Mai 2024, erneut in der V8OS an den Start gehen. Die Startnummer 8 ist eingeschrieben und die Deutsche will alles geben, um sich im engen Feld der Late-Model-Meisterschaft nach vorne zu kämpfen und zu etablieren.

André Wiegold