Hamlin gewinnt Reifenkrimi von Bristol: Analyse des einzigartigen Short-Track-Rennens

Hamlin gewinnt Reifenkrimi von Bristol: Analyse des einzigartigen Short-Track-Rennens
Foto: NASCARMedia / Jonathan Bachman/Getty Images

Denny Hamlin siegte in einem historischen NASCAR-Rennen auf dem Bristol Motor Speedway – Extrem hoher Reifenverschleiß sorgte für Unterhaltung

Bereits nach 20 von 500 Runden war klar, dass das Frühjahrsrennen der NASCAR Cup Series auf dem Bristol Motor Speedway 2024 in die Geschichte eingehen würde. Der extrem hohe Reifenverschleiß sorgte für ein äußerst unterhaltsames Rennen, das bei Experten, Fahrern und Teams für viel Gesprächsstoff sorgte. Am Ende der 500 Runden siegte schließlich Denny Hamlin im Gibbs-Toyota und löste damit das Playoff-Ticket für 2024.

Doch was war in Bristol eigentlich passiert? Goodyear brachte die gleiche weiche Reifenmischung an die Strecke wie beim Herbstrennen 2023. Obwohl das Rennen diesmal bei Tag und nicht mehr auf Dirt gefahren wurde, rechneten weder NASCAR noch der Reifenhersteller mit größeren Problemen auf dem Betonkurs. Doch es kam anders: Der brutal hohe Reifenverschleiß sorgte für viele Sorgenfalten, aber auch für Action auf der Strecke.

NASCAR und Goodyear mussten den Teams sogar einen zusätzlichen Reifensatz zur Verfügung stellen, um sie über die Runden zu bringen. Die Fahrer mussten auf der Strecke sehr auf ihre Pneus aufpassen, zudem war die Strecke durch den Reifenabrieb stark verschmutzt. Jeder Fahrer, der die Gummireste aufsammelte, verlor massiv an Grip. “Es ist, als würde ich auf Eis fahren”, war ein viel zitierter Funkspruch mehrerer Fahrer.

Doch wer glaubt, dass dies zu Langeweile führte, der irrt: Die Fähigkeiten der Fahrer, mit den schwierigen Bedingungen umzugehen, standen plötzlich im Vordergrund und es kam zu sehenswerten Zweikämpfen und brenzligen Situationen im gesamten Feld. Während einige Fahrer NASCAR und Goodyear kritisierten, gab es auch viel Zuspruch, denn der Verschleiß sorgte für das wohl spannendste Gen-7-Short-Track-Rennen aller Zeiten.

54 Mal wechselte in Bristol die Führung, so oft wie noch nie in der NASCAR-Geschichte auf einem Short-Track. Der bisherige Rekord lag bei 40 Führungswechseln, damals noch auf Asphalt in Bristol 1991. Doch was führte 2024 zum Reifenkrimi in Bristol? Im Herbst 2023 gab es mit dieser Mischung keine derartigen Probleme.

Zum einen wurde am Tag gefahren und nicht in der Nacht. Die Temperaturen waren also anders als im Herbst 2023. Außerdem könnten die Setup-Einstellungen der Teams den hohen Verschleiß begünstigt haben. Aber auch auf der Strecke gab es eine Neuerung: Statt PJ1 wurde in Bristol Harz verwendet, um die untere Linie mit Grip zu versehen. Auch das könnte den Verschleiß beeinflusst haben.

Die Reaktionen auf das einzigartige Rennen in Bristol könnten unterschiedlicher nicht sein. 21.000 Fans stimmten nach nur zwei Stunden unter dem Posting von NASCAR-Experte Jeff Gluck ab und zeichneten ein klares Bild: Rund 88 Prozent wählten die Option, dass Bristol ein gutes NASCAR-Rennen war. Die Abstimmung läuft noch 22 Stunden. Dale Earnhardt Jr. twittert: “Ich liebe alles an diesem Rennen”. Auch Parker Kligerman ist begeistert: “Ich liebe dieses Rennen! Wird Netflix eine einzelne Episode darüber drehen? War es extrem? Natürlich! Aber es war so schön und aus so vielen Perspektiven einzigartig.”

Während Goodyear hohen Verschleiß generell positiv sieht, war es für den Reifenhersteller in Bristol etwas zu viel des Guten. NASCAR-Renndirektor John Probst sprach dagegen von einem der besten Short-Track-Rennen“, das er je gesehen habe. Auch Ex-Pilot Kasey Kahne war vom strategischen und herausfordernden Charakter des Rennens überzeugt. Rennsieger Hamlin sagt: „Es war das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit, dass der Fahrer eine so wichtige Rolle gespielt hat.”

NASCAR hatte zuletzt Probleme, die Gen-7-Autos auf den Short-Track-Kursen so abzustimmen, dass das Rennen die Fans begeisterte. Viele Fahrer, darunter Christopher Bell, plädieren dafür, die Leistung auf bis zu 1.000 PS zu erhöhen, damit die Autos schwieriger zu fahren sind. NASCAR hat nicht an der Leistung geschraubt, aber der Reifenverschleiß hat eine Theorie bestätigt: Je schwieriger die Autos zu fahren sind, desto größer sind die Schwankungen im Feld. Das Ergebnis in Bristol waren spannende Zweikämpfe, viele Führungswechsel und ein äußerst unterhaltsames Rennen.

Einziger Kritikpunkt waren die vielen Reifenschäden, doch die Fahrer mussten ihren Fahrstil im Laufe der 500 Runden anpassen. Wer es schaffte, war schnell und konnte die Lebensdauer seiner Reifen Stint für Stint verlängern. Ty Gibbs, der beide Stages gewann, gehörte zu den Fahrern, die gegen Ende des Rennens einen Reifenschaden erlitten und damit jede Chance auf den Sieg einbüßten.

Laut Brad Keselowski war die Disziplin im Feld groß und wichtig, um die Autos auf der Strecke zu halten. Der RFK-Fahrer und -Mitbesitzer erklärt: “Das war ein interessanter Tag. Man brauchte viel Disziplin und es war ein spaßiges Rennen, weil man hinter dem Lenkrad clever sein musste. Hamlin stichelt in Richtung der PS-Befürworter: “Heute brauchten wir keine Extra-Power.”

Chris Gabehart, Hamlins Crew-Chief, nimmt Goodyear in Schutz: “Das war heute nicht schlecht [von Goodyear], denn unser Sport sollte schwierig sein.” Auch Justin Haley war nach dem Rennen begeistert: „Ich weiß nicht, was in den sozialen Medien los ist, aber ich fand es großartig, denn wir mussten es managen.” Greg Strucker von Goodyear sprach hingegen von einem “zu drastischen Reifenverschleiß”.

Earnhardt Jr. wiederum sagt, dass die besten Teams bis zu 70 Runden mit einem Reifensatz gefahren sind. “Gib den Teams eine Woche, und sie werden die Autos so abstimmen, dass sie 80 bis 100 Runden fahren können, bevor es Probleme gibt”, sagt er. Dem stimmt auch Landon Cassill zu, der hofft, dass sich an der Harz-Goodyear-Kombination von Bristol nichts ändern wird. Einer, der überhaupt nicht begeistert war, war wohl Kyle Larson. Er soll über Funk mit seinem Crew-Chief Cliff Daniels eine rote Flagge gefordert haben, um PJ1 statt Harz auf die Strecke aufzutragen.

Zuvor hatte NASCAR viel am Auto geschraubt, um den Gen-7 auf den Short-Track zu bringen. Aerodynamisch und technisch wurde viel ausprobiert. Am Ende war es ein Zufallsprodukt, das die Regelhüter vielleicht auf den richtigen Weg bringt: Mehr Reifenverschleiß oder einfach ein schwieriger zu fahrendes Auto, denn das sorgte in Bristol für Rekord-Führungswechsel, spannende Strategien und ein Rennen, in dem das Können der Fahrer im Vordergrund stand.

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André Wiegold