Eigene Erwartungen übertroffen: So verlief mein Rennsport-Debüt in Lelystad
Im September durfte ich im Formel BMW des Bachor Racingteams mein Autospeedway-Debüt feiern – In der Formel Toyota übertraf ich meine eigenen Erwartungen und Ziele
Liebe Motorsportfans,
ich schreibe diese Zeilen und weiß noch gar nicht, wie ich das Erlebte zu Papier bringen soll. Es fühlt sich immer noch surreal an, denn am 8. September 2024 durfte ich mir auf dem Midland Circuit im niederländischen Lelystad einen Lebenstraum erfüllen. Im Formel BMW des Bachor Racingteams gab ich mein Debüt in der Formel Toyota und was ich dort erlebt habe, lässt sich nur schwer in Worte fassen.
Beginnen wir chronologisch: Vor acht Jahren, im Jahr 2016, ermöglichten mir Uwe und Philipp Bachor damals in Lelystad, den Formel BMW des Teams während eines Trainings zu fahren. Es war das erste Mal, dass ich in einem Rennauto saß. Schon als Kind habe ich davon geträumt, einmal ein Ovalrennen zu fahren, und im Training war ich so nah dran wie nie zuvor. Später hatte ich auch die Gelegenheit, zwei Late Models auf dem Raceway Venray zu testen, aber an ein Rennen war nie zu denken – bis 2024 …
Vor ein paar Wochen bekam ich immer mehr Lust, mein Renndebüt zu feiern und so erzählte ich Uwe von meiner Idee. Er verwies mich an Derk Siebers, eine Formel-Toyota-Legende, der schon gefahren ist, als ich noch ein Kind war. Derk kümmert sich um die Formel BMW und startet als Klassensprecher selbst im Auto mit der Startnummer 77.
Dann ging alles ganz schnell: Mein Kommentatoren-Kollege Lenz Leberkern übernahm meine NASCAR-Live-Sendung auf Motorvision, denn eigentlich hätte ich am 8. September das Atlanta-Rennen aus München kommentieren sollen. Danke Lenz, du hast einen großen Anteil daran, dass ich das machen konnte. Dann kam die Sitzprobe in Weeze und dann war eigentlich alles klar. Das Auto wurde noch von The Creative 2 mit meiner Wunschstartnummer 25 – dem Geburtsdatum meiner Tochter – und meinem Namen versehen.
Nun ging es auf die Strecke: Um 5:00 Uhr morgens startete ich in Richtung Lelystad. Mit mir Dominik Gardzitz, mein Kameramann bei Leadlap.de und meine Mum. Meine Frau, meine Tochter, meine Schwiegereltern, meine besten Freunde Kevin – dazu seine Verlobte und meine gute Freundin Sandra – und Jörn kamen nach. Leadlap-Fotograf Frank Reipen war auch vor Ort, um alles für mich festzuhalten. An alle, die nicht konnten, ich habe dennoch an euch gedacht! Ich hatte also viele wichtige Leute um mich, die mich bei meinem Debüt begleiteten.
Doch der Morgen begann anders als geplant. Ich saß für das erste Training im Auto und wurde von Derk angeschnallt, der das Auto vorbereitete, an die Strecke brachte und mich mit seiner Erfahrung betreute. Aber die Strecke sagte, wir kämen zu spät zum Training, ich und auch andere Fahrer durften nicht fahren. Im zweiten Training waren wir dann pünktlich. Zu diesem Zeitpunkt hat mir auch das Bachor Racingteam sehr geholfen, unter anderem Philipp, Jens Müller und Markus Breitung. Auch Hans-Jürgen Hummen half, wo er kann.
Im zweiten Training klebte ich am Heck von Jaime Lee Hoeboer. Sein Vater Franz ist eine Legende in der Formel Toyota und fuhr an diesem Rennwochenende neben Philipp das zweite Late Model in der ELMS. Ich merkte sofort, dass ich mithalten konnte und musste meine Ziele ändern. Ich hatte keine Erfahrung und dachte, ich bekomme eine Tracht Prügel, denn ich hatte erwartet, überrundet zu werden und keine Chance zu haben, aber im Training habe ich gemerkt, dass etwas möglich ist.
Vor dem ersten Rennen stieg die Anspannung ins Unermessliche. Der Motor überhitzte beim Vorstart, wo wir locker 20 Minuten warteten, bis wir auf die Strecke durften. Ich schaltete ihn aus, weil er abkühlen musste. Die Batterie war aber nicht mehr stark genug, um das Auto wieder zu starten. Mirco Haupt und ein weiterer Helfer schoben mich an, riefen mir zu, was ich tun sollte, um das Auto wieder beim Rollen zu starten. Ich wusste nicht wie, versuchte alles und der Wagen sprang irgendwie an. Zum Glück.
Ich stand als Vorletzter in der Startaufstellung, denn in der Formel Toyota wird stehend gestartet. Mit uns fuhren noch zwei Midgets, die deutlich schneller waren. So waren wir neun Autos. Bart van Rengs sollte eigentlich weiter vorne starten, hatte aber Getriebeprobleme. Damit er mitfahren konnte, durfte er fliegend starten, musste das Rennen aber hinter mir aufnehmen.
Bart hatte im ersten Heat technische Probleme, deshalb habe ich ihn sogar überrundet. Mit André Vogelzang kämpfte ich 15 Runden lang um Platz sieben. Ich konnte den Niederländer nicht überholen, aber ich konnte mit ihm mithalten. Meine Tagesbestzeit fuhr ich im ersten Rennen: eine 16,447 Sekunden, die Tagesbestzeit setzte Dirk mit einer 15,769. Damit war ich ohne eine einzige Rennrunde “nur” 0,678 Sekunden langsamer als die Spitze.
Nur der Midget mit Francois Damen am Steuer überrundete mich in den Rennen, von den Formel Toyota Piloten schaffte es keiner. Das erste Rennen beendete ich als Achter, ich griff immer wieder an und konnte das Auto auch mit Übersteuern gut kontrollieren. Damit war mein Ehrgeiz endgültig entfacht. Im zweiten Rennen kämpfte ich wieder gegen André, diesmal um Platz sechs.
Aber hier gab es eine brenzlige Situation: Ausgangs Kurve 4 musste ich im Kampf mit André einmal gegenlenken, weil das Heck etwas ausbrach. Ich verlor etwas Schwung, konnte aber meine Linie halten. So fuhr ich ganz normal auf den Scheitelpunkt von Kurve 1 zu. Plötzlich hörte ich ein Krachen und sah im Rückspiegel, wie sich Barts Frontflügel auflöste. Er fiel zurück, ich konnte weiterfahren und wurde Siebter.
Hatte jemand Schuld oder war es ein Rennunfall? Davon könnt ihr euch selbst ein Bild machen, denn wir werden die Szene sowohl aus der Onboard-Perspektive als auch von außen auf dem YouTube-Kanal von Leadlap.de im Video zeigen. Nicht ideal war, dass mein linker Außenspiegel zu diesem Zeitpunkt locker herunterhing. Aber zugegeben: Ich war so auf den Kampf mit André konzentriert, dass ich Bart im Spiegel wahrscheinlich gar nicht gesehen hätte, und er war auch nicht so deutlich neben mir, dass ich ihn mit bloßem Auge gesehen hätte. Mein Auto war heile, da er mit dem Flügel meinen Reifen erwischt hatte.
Viel wichtiger: Nach dem Rennen bin ich zu Bart gegangen und habe mich nach seinem Auto erkundigt. Ich habe ihn auch gefragt, ob ich einen Anfängerfehler gemacht hätte. Er verneinte, wir schüttelten uns die Hände und alles war gut. Für das Finale hat André, der Fahrer der Startnummer 10, mit dem ich mich den ganzen Tag duelliert habe, mein Auto aufgetankt. Auch bei den Besprechungen der Klasse war ich dabei. Ich wurde von allen Fahrern sehr gut aufgenommen und möchte mich dafür herzlich bedanken.
Im Finale über 18 Runden habe ich dann alles auf eine Karte gesetzt. Im Kampf um Platz sechs habe ich André immer wieder attackiert. Jaime Lee schied im Rennen mit einem Getriebeschaden aus, Richie Scheepens konnte im Midget gar nicht erst starten. So konnte ich zwei Positionen gut machen und wollte auch unbedingt an André vorbei. Leider entschied ich mich zu spät, erst in der letzten Kurve, alles in die Waagschale zu werfen.
Ich attackierte meinen Namensvetter in den Kurven 3 und 4 auf der Außenbahn, setzte mich neben ihn und wir fuhren parallel über die Ziellinie: Fotofinish! 0,164 Sekunden fehlten auf Platz sechs, aber ich war mehr als zufrieden. André und ich umarmten uns nach dem Rennen und feierten gemeinsam unsere respektvollen und engen Kämpfe. Am Ende gab es auch noch ein Kaltgetränk mit den Fahrern der Klasse, es war das Ende eines unglaublichen Tages.
Ich bin in keinem Rennen Letzter geworden, wurde nie von einem Formelauto überrundet und konnte in jedem Rennen kämpfen und mithalten. Damit hatte ich nicht gerechnet, deshalb kann ich sagen, dass alle meine Erwartungen übertroffen wurden. In der Tageswertung wurde ich Sechster von neun Teilnehmern. Ich sammelte 41 Punkte, nur drei weniger als André vor mir auf Platz fünf. Der Tagessieg ging an Francois im Midget, und bei den Formelwagen sammelte Jonas Wessels die meisten Punkte vor Sjoerd Martens und Derk. Wenn wir nur die Formel Toyota betrachten, habe ich es also in die Top 5 geschafft!
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich für diesen Einsatz bezahlt und nichts geschenkt bekommen habe. Trotzdem haben viele Menschen hart gearbeitet, um mir diesen Einsatz zu ermöglichen. Viele haben freiwillig geholfen und sind mir sehr entgegen gekommen. Danke an Derk, Uwe, Philipp, Jens, Markus, André, Mirco, Franz, meiner Familie, meinen Freunden, meinem Leadlap-Team und alle anderen, die diesen Tag unvergesslich gemacht haben. Das werde ich nie vergessen. Darf ich mich jetzt Rennfahrer nennen? Zumindest fühle ich mich so … was für ein geiler Tag!
Euer
André Wiegold
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