Palou vertraute seinem Strategen nicht: „Am Ende habe ich mich wieder bedankt“

Alex Palou gewann das IndyCar-Rennen auf Road America und sicherte sich damit seinen sechsten Saisonsieg – im Rennen hatte er allerdings kein Vertrauen in seinen Strategen.
Der eine fährt, der andere entwickelt die Strategie – und manchmal ist es wichtig, auf den Chefstrategen zu hören, auch wenn das Bauchgefühl des Fahrers ein anderes ist. Genau das war beim IndyCar-Rennen auf dem Road America Circuit bei Chip Ganassi Racing der Fall. Alex Palou, der später seinen sechsten Saisonsieg feierte, zweifelte an der Taktik seines Strategen Barry Wanser. Am Ende musste der Spanier eingestehen, dass er falsch gelegen hatte.
„Ich stimme Barrys Strategieentscheidungen nicht zu“, so Palou nach dem Rennen. „Ich war einige Runden ziemlich angefressen, aber dann erkannte ich, dass es klappen würde – und dann habe ich mich auch wieder bedankt. Das war unser einziger Satz Alternates, weil ich am Vortag so hart gepusht habe, um die Pole zu bekommen – was letztlich nicht geklappt hat. Das hat uns gegen Christian Lundgaard, Scott Dixon und alle anderen in den Fast Six nach hinten geworfen.“
„Ich wusste, dass die Alternates uns im zweiten Stint helfen würden, doch das würde uns dann im letzten Stint eher schaden. Wir hatten heute die Pace im Auto und konnten Sprit sparen. Auch auf den Primaries waren wir sehr schnell.“
Zur Erklärung: Jeder Fahrer muss in einem IndyCar-Rennen jede Reifenmischung einmal fahren – außer bei Ausnahmerennen, bei denen sogar jede Mischung zweimal gefahren werden muss. Die Alternates bieten mehr Grip, bauen aber schneller ab als die Primaries, die dafür länger halten, jedoch weniger Haftung bieten.
„Wir haben unsere Reifenstrategie im Rennen angepasst – der Plan war ursprünglich ein anderer. Ich war damit nicht sehr glücklich. Ich sah dann aber, was die Konkurrenz machte und gegen wen wir kämpften. Deshalb mussten wir die Strategie anpassen, um sie zu schlagen – und das hat geklappt“, so Palou.
Eine frühe Gelbphase und eine weitere Full-Course-Yellow zur Rennhalbzeit sorgten für Sorgenfalten an den Kommandoständen, da sich ein Spritkrimi andeutete. Palou ist bekannt dafür, Sprit sparen zu können – und genau das schaffte er auch, unter anderem, weil er im letzten Stint zwei Runden später als Dixon an die Box kam.
„Heute war es aber auch ein wenig Glück, die richtige Strategie zu haben, weil es so schwierig war“, stellt der Spanier klar. „Dieser Moment hat uns den Sieg geschenkt. Wir hatten noch fünf Runden Sprit – das hätte nicht gereicht. Wäre eine weitere Gelbphase gekommen, wäre es das gewesen. Das war eine gute Entscheidung.“
„Ich bin Scott hinterhergefahren und sah, dass er nicht so viel sparte wie ich“, so Palou. „Ich dachte: ‚Der Kerl ist verrückt! Wie soll er das schaffen?‘ Ich hatte nicht alle Daten. Wäre es ein anderer Fahrer gewesen, hätte ich nur auf mich geachtet – aber Scott kann verrückte Dinge schaffen.“
Stratege Wanser sagte: „Wir waren genauso besorgt. Ich habe sogar alle Ingenieure auf dem Kommandostand gefragt: Übersehen wir hier etwas? Denn Dixon fährt (Sprit-)Zahlen und Rundenzeiten, die auf Grundlage unserer Angaben eigentlich nicht aufgehen können. Sie haben alles doppelt und dreifach überprüft – aber wir waren ziemlich zuversichtlich, dass es passt.“
Palou antwortete auf die Frage, ob er Dixon mit einer späten Gelbphase hätte überholen können: „Kommt drauf an. Wenn es nur eine Gelbphase über eine Runde gewesen wäre, ja – ich glaube, dann hätten wir es geschafft. Aber wenn es eine Gelbphase nach der anderen gewesen wäre und das Ganze dann über vier Runden geht, hätte er eine gute Zahl geschafft – und wir wären fast auf derselben. Also: Man weiß es nie.“
„Ich dachte, wir hätten beim Reifen ein Handicap, ganz klar. Er war auf dem schnelleren Reifen und kam echt gut aus den Kurven raus. Ich habe mich schwergetan, ihn einzuholen. Eine richtig lange Gelbphase oder zwei hintereinander hätten es für uns echt schwer gemacht. Aber man weiß es nie. Es war ein verrücktes Rennen.“
„Es war hart. Ein verrücktes Rennen. Ich weiß nicht, wie es von außen aussah – aber im Auto war einfach unglaublich viel los. Viele Gelbphasen, die alles durcheinandergebracht haben. Wir sahen am Anfang richtig schlecht aus, dann richtig gut, dann wieder schlecht, dann wieder super. Es war schwer, da vorne zu bleiben. Aber ja – wir mussten uns einfach auf die Fahrer konzentrieren, die auf derselben Strategie waren wie wir.“
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Andrés Faszination für den Motorsport begann in seiner Kindheit, als er regelmäßig Ovalrennen in den Niederlanden besuchte und abends NASCAR- sowie IndyCar-Rennen im TV verfolgte. Während seines Ökonomiestudiums begann er 2014 als Hobby-Redakteur über den Rennsport zu schreiben und machte seine Leidenschaft zum Beruf. Heute ist er NASCAR-Kommentator bei Sportdigital1+ und begleitet IndyCar & IMSA live auf Motorvision+ – dazu kommen viele weitere Rennserien im Highlights-Format. Als Redakteur schreibt er für Motorsport-Total, Motorsport.com und Formel1.de und ist zudem Reporter, Kommentator und Redakteur im Mediateam der NASCAR Euro Series.