So wurde Hayden Paddon Rallye-Europameister 2023

So wurde Hayden Paddon Rallye-Europameister 2023
Foto: @World / Red Bull Content Pool

Die 70. Saison der Rallye-Europameisterschaft bot viel Action – Am Ende einer langen Meisterschaft setzte sich Hayden Paddon in der Gesamtwertung durch.

Die Rallye-Europameisterschaft (ERC) sorgte in ihrer 70. Saison für jede Menge Action. Die älteste internationale Rallye-Meisterschaft gastierte für insgesamt acht Läufe in zahlreichen europäischen Ländern. Am Ende setzte sich Hayden Paddon gegen die Konkurrenz durch und krönte sich zum Europameister 2023. So verlief die Saison 2023 Rallye für Rallye.

Rally Serras de Fafe e Felgueiras 

Skoda-Pilot Efren Llarena reiste als Titelverteidiger zur Rallye Serras de Fafe e Felgueiras nach Portugal, doch der Spanier kämpfte von Beginn an mit Problemen, da er nach dem Qualifying keine gute Startposition hatte. Auf den Schotterpisten war Llarena nie ein Kandidat für den Sieg. An der Spitze kämpften andere große Namen um den ersten Platz, darunter Mads Östberg im Citroen C3, Craig Breen im Hyundai i20 und Hayden Paddon im Hyundai i20. 

Schon im Qualifying ging es hoch her, als Erik Cais nach einem Überschlag einfach weiterfuhr. Breen sicherte sich mit seinem Sieg die Startposition. Der Ire, der später im Jahr bei einem Testunfall in Kroatien tödlich verunglückte, entschied sich für Startplatz vier. Die schwierigen Witterungsbedingungen machten die ersten Stages zu einer echten Mutprobe, weshalb einige Piloten früh ausschieden. 

Bis zum Ende der Rallye gab es einen offenen Schlagabtausch an der Spitze. Erst fiel Breen wegen eines Reifenschadens zurück, dann erwischte es auf der letzten Prüfung auch Mikko Heikkilä im Skoda Fabia. Am Ende siegte ein Fahrer, der die ganze Rallye über auf Nummer sicher gegangen war: Paddon. Der Neuseeländer gewann dank seiner Konstanz, Östberg wurde trotz Motorproblemen Zweiter. Georg Linnemäe komplettierte das Podium. Der Sieg auf der Power Stage ging an Breen.

Rally Isla Canarias 

Der zweite Lauf zur Rallye-Europameisterschaft führte die Fahrer und Teams auf die spanischen Kanaren, genauer gesagt auf die Asphaltpisten von Gran Canaria. Llarena erwischte es bereits auf der Qualifying-Stage, als er einen Felsen traf, doch der Spanier konnte die Rallye fortsetzen. Jose Suarez durfte sich nach seinem Stage-Sieg die Startposition für den ersten Tag aussuchen, gefolgt vom französischen Champion Yoann Bonato. Suarez entschied sich für Startplatz acht, um die Konkurrenz beobachten zu können. 

Auf einem Indoor-Basketballfeld und auf dem Parkplatz des Stadions mussten die Fahrer kräftig Donuts drehen, aber nicht nur zum Spaß, sondern die Sonderprüfungen zählten bereits zur Rallye-Wertung. Auf der ersten “richtigen” Prüfung verlor Östberg viel Zeit, weil eine Antriebswelle an seinem Citroen den Geist aufgab. Miklos Csomos schied nach einem heftigen Unfall am Ende der ersten Schleife aus, als er mit seinem Skoda sogar eine Leitplanke durchbrach. 

An der Spitze setzte sich Bonato fest, der nach vier von insgesamt 13 Wertungsprüfungen fünf Sekunden Vorsprung auf Rallye-Rückkehrer Andrea Nucita aus Italien hatte, der zuvor eine vierjährige Pause eingelegt hatte. Der Franzose verteidigte seine Führung bis zum Ende des ersten Tages und lag am Ende der siebten Etappe elf Sekunden vor Paddon und 24,2 Sekunden vor Llarena. Am letzten Tag der Rallye ließ Bonato nichts mehr anbrennen und sicherte sich den Sieg. Der französische Champion lag am Ende 36,9 Sekunden vor Paddon. Llarena komplettierte das Podium, der Sieg in der Power-Stage ging an Andrea Mabellini.

Rally Poland

Am dritten Tag stand die 79. Ausgabe der Rallye Polen auf dem Programm, eine der ältesten Rallyes Europas. Paddon startete als Tabellenführer mit elf Punkten Vorsprung auf Bonato. Filip Mares überschlug sich auf der vierten Wertungsprüfung, doch dank der Zuschauer wurde das Auto innerhalb von 50 Sekunden wieder auf die Räder gestellt und der Tscheche konnte weiterfahren. An der Spitze entwickelte sich ein offener Schlagabtausch zwischen Martins Sesks und Paddon, die nach acht Wertungsprüfungen nur 8,2 Sekunden trennten.

Am letzten Tag setzte sich Sesks an der Spitze immer weiter ab, da Paddon das Tempo des Letten nicht mitgehen konnte. Nach zwölf von insgesamt 16 Wertunsprüfungen lag der Skoda-Pilot mit 19,2 Sekunden Vorsprung auf den Hyundai i20 des Neuseeländers auf Rang zwei. Dahinter lag Vorjahressieger Mikolaj Marczyk auf Rang drei. Unterdessen gab es zwei heftige Überschläge: Der Mexikaner Patrice Spitalier und der Schwede Simon Andersson flogen spektakulär ab, blieben aber zum Glück unverletzt. Später krachte auch Mabellini heftig in einen Fangzaun und schied vorzeitig aus. 

Nach 16 spannenden Stages setzte sich schließlich Sesks gegen Paddon durch. Die beiden trennten nach rund 180 Kilometern nur 39,6 Sekunden, Paddon verteidigte damit seine Tabellenführung in der ERC 2023. Lokalmatador Marczyk komplettierte dahinter die Top 3, während Östberg, der die Power-Stage gewann, und Heikkilä dahinter die Top 5 komplettierten. In der Gesamtwertung lag Paddon damit nach drei Rallyes 37 Punkte vor Sesks, der auf den zweiten Platz vorrückte.

Rally Liepaja 

Der aktuelle Champion Llarena wechselte wieder auf seinen Meisterschafts-Skoda, da er mit der neuen RS-Version nicht zurecht kam. Damit wollte sich der Spanier wieder in Richtung Spitze bewegen, doch die Schotterpisten hatten es in sich, zumal viele Prüfungen nur einmal gefahren wurden, weshalb die Startposition eine wichtige Rolle spielte. Paddon hatte sich zum Ziel gesetzt, seine Führung in der Meisterschaft mit einer weiteren konstanten Leistung auszubauen.

Doch nach drei von zehn Sonderprüfungen lag der unglaublich schnell fahrende Seks in Führung, Robert Virves folgte mit 18 Sekunden Rückstand auf Rang zwei, während Paddon als Dritter erneut nichts anbrennen ließ. Nach sechs Stages lag Seks rund eine halbe Minute vor Paddon, während Virves mit Problemen auf Rang vier zurückfiel. Aufgrund der Regenfälle war die Rallye für viele Fahrer kein Spaziergang, weshalb viele auf bessere Bedingungen am Sonntag hofften. 

Die letzten vier Stages der Rallye fanden auf nasser Strecke statt, da der Regen auch am zweiten Tag anhielt. Der Italiener Alberto Battistoli kam am Ende der achten Wertungsprüfung von der Strecke ab, konnte aber weiterfahren. An der Spitze fuhr Seks sicher zum Sieg, während Paddon Östberg hinter sich hielt und erneut Zweiter wurde. In der Gesamtwertung lag Paddon damit zur Saisonhalbzeit 30 Punkte vor Seks, der den Abstand auf Platz eins verkürzte.

Royal Rally of Scandinavia

Auf den nassen Schotterstraßen Schwedens war das Qualifying extrem wichtig, da wenig Reifenverschleiß zu erwarten war. Daher war die Startposition entscheidend für den Erfolg. Die besten Fahrer wählten eine späte Startposition, in der Hoffnung, dass die Fahrer vor ihnen die Straßen säubern würden. Die Bedingungen sorgten für viele Schrecksekunden, doch die Topfahrer erreichten alle das Ziel, auch nach der mehr als 20 Kilometer langen zweiten Etappe. Nach vier von 16 Wertungsprüfungen führte Oliver Solberg mit 3,9 Sekunden vor Paddon.

Der zweite Tag war geprägt von zahlreichen heftigen Unfällen, darunter auch einige Überschläge, aber an der Spitze entbrannte ein heißer Zweikampf zwischen Solberg und Paddon, während Östberg beim großen Sprung mit 47 Metern einen Rekord aufstellte. Solberg sprang nicht ganz so weit, baute aber seinen Vorsprung aus: Nach zwölf Wertungsprüfungen führte der Schwede bei seiner Heimrallye mit 10,2 Sekunden vor Paddon, der Heikkilä hinter sich hielt. Der drittplatzierte Finne war jedoch in einen heißen Dreikampf um den letzten Podiumsplatz verwickelt. 

Seks, der zuletzt zwei Rallyes gewonnen hatte, kämpfte in Schweden, wurde aber dennoch Dritter. Heikkilä musste einen Reifen wechseln und verlor dadurch drei Minuten. Paddon nahm den Fuß vom Gas, zeigte aber auf der Powerstage noch einmal, was in ihm steckt und sammelte fünf Bonuspunkte. Mit dem vierten zweiten Platz in Folge setzte er sich in der Gesamtwertung wieder von Seks ab, die beiden trennten nach der Rallye 34 Punkte. Der Sieg ging an Solberg, der sein Heimpublikum mit einer starken Leistung verwöhnte.

Rally di Roma Capitale

Die sechste und drittletzte Rallye der ERC-Saison 2023 fand auf den Asphaltstraßen von Rom statt. Vor den Augen von zahlreichen Zuschauern gab es sogar Stages direkt vor dem legendären Kolosseum, diese besondere Stage ging an Lokalmatador Andrea Crugnola. Mit Seks fiel ein Topfahrer früh aus: Der Lette überschlug sich auf Stage 4 heftig und stand mit seinem Co-Pilot vor einem völlig zerstörten Wrack. Das war die große Chance für Paddon, sich in der Gesamtwertung von seinem engsten Verfolger abzusetzen.

Crugnola dominierte auch am Samstag das Geschehen, doch der erfolgreiche Italiener hat seine ERC-Heimrallye bisher noch nie gewonnen. Nach der vierten Stage lag er 10,9 Sekunden vor Bonato aus Frankreich. Paddon erwischte eine Mauer und beschädigte sich hinten rechts seine Aufhängung. Der Neuseeländer konnte weiterfahren, lag aber nach dem Einschlag nur noch auf Platz sechs. Crugnola lag auch nach sechs Stages an der Spitze, sein engster Verfolger war sein Landsmann Giandomenico Basso. Llarena war auf Asphalt zurück mit dem RS-Modell, doch der aktuelle Champion fand wie schon in den vorigen Rallyes nicht in den Rhythmus und war deshalb nie ein echter Kandidat auf den Sieg.

Bonato fiel kurz vor dem Ende der Rallye wegen eines Reifenschadens von Platz zwei auf Rang sieben zurück, damit gab es auf der letzten Stage 13 einen Kampf zwischen Crugnola und Basso. Aufgrund des Ausfall von Bonato erbte Paddon den dritten Platz und führte so seine Serie von insgesamt sechs Podiumsplätzen in Folge fort. An der Spitze setzte sich Crugnola gegen Basso durch, um so erstmals seine Heimrallye in der ERC zu gewinnen. In der Gesamtwertung baute Paddon seinen Vorsprung auf Sesks auf 55Punkte aus.

Czech Rally Slin

Paddon hatte bei der vorletzten Rallye der ERC-Saison 2023 in Tschechien bereits alle Trümpfe in der Hand, denn er hatte die rechnerische Chance auf den vorzeitigen Titelgewinn. Der Titel in der Teamwertung war dem MRF-Team bereits sicher, da der Rennstall in der Gesamtwertung uneinholbar an der Spitze lag. Ein großer Name war in Tschechien mit von der Partie: Max McRae, Sohn von Allister und Neffe von Colin McRae. 

Der 40-Jährige kam gut in die Rallye und lag nach vier von 13 Stages auf dem dritten Platz. An der Spitze lag Lokalmatador Erik Cais mit nur 1,8 Sekunden Rückstand auf seinen Landsmann Jan Kopecky. Paddon spielte auf Nummer sicher und lag nach der ersten Schleife nur auf Rang acht, doch der Neuseeländer wusste, dass ihm ein gutes Ergebnis genügte, um den Titel vorzeitig unter Dach und Fach zu bringen. So drehten diesmal andere Fahrer auf, die in den vergangenen Rallyes nicht ganz vorne mit dabei waren. 

Am Ende der 13 Wertungsprüfungen gewann Kopecky zum elften Mal seine Heimrallye, der Tscheche hatte 14,3 Sekunden Vorsprung auf Csomos, Dritter wurde der Österreicher Julian Wagner. Paddon schied mit technischen Problemen aus, doch da Sesks nicht genügend Punkte sammelte, stand der Neuseeländer bereits vor dem Finale als Champion der ERC-Saison 2023 fest. Sesks wurde nur Elfter, weil er einfach nicht das Tempo von Polen oder Lettland gehen konnte. Damit war der Kampf um den ERC-Titel 2023 bereits vor dem Finale in Ungarn entschieden.

Rally Hungary

Mit sechs verschiedenen Siegern in sieben Rennen hatte es die ERC-Saison 2023 in sich, auch wenn sich Paddon mit zahlreichen Podestplätzen bereits vorzeitig zum Champion krönte. Dennoch ging es beim Finale in Ungarn noch einmal richtig zur Sache, denn in den Wertungen ERC4 und ERCJ standen die Titelentscheidungen noch aus. Der Pole Marczyk übernahm auf der ersten Etappe die Führung und eröffnete damit die letzte Rallye der Saison 2023.

Llarena hatte erneut Pech, denn der Spanier musste nach einem Reifenschaden das Rad wechseln und verlor dadurch viele Minuten. Auch Marczyk fiel aus, so dass Cais und Östberg um Platz zwei kämpften und Csomos seine Heimrallye dominierte. Übrigens: Champion Paddon war in Ungarn nicht mit von der Partie, da er bereits als Gesamtsieger feststand. 

Östberg hatte im Verlauf der Rallye mit einem Reifenschaden zu kämpfen, fuhr aber dennoch eine gute Zeit auf einer Felge. Auch Csomos hatte einen Reifenschaden, doch der Ungar flog in Führung liegend deutlich heftiger ab. Da sowohl Östberg als auch Csomos Probleme hatten, blieb die Reihenfolge an der Spitze unverändert. Jon Armstrong sicherte sich nach zwölf Stages den Gesamtsieg in der ERC3-Klasse, Roberto Dapra den Titel in der ERC4-Klasse und Norbert Maior die Junior-Wertung. Csomos rollte aus und verlor alle Chancen auf den Sieg, Östberg erbte den ersten Platz und holte sich den letzten Sieg der Saison 2023.

Ausblick 2024

Mit der ERC-Saison 2023 in den Büchern lohnt es sich, auf das Jahr 2024 zu schauen. Die ERC hat bereits acht Events für die kommende Meisterschaft bestätigt. Los geht’s im April in Ungarn, gefolgt von den Events in Spanien, Schweden, Estland, Italien, Tschechien, Wales und Polen, wo 2024 das Finale der Europameisterschaft stattfinden wird. 

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André Wiegold