NASCAR-Reisebericht (Teil 1): New Smyrna Speedway und Daytona 500 2020

NASCAR-Reisebericht (Teil 1): New Smyrna Speedway und Daytona 500 2020
André Wiegold

Anfang Februar waren Sarah Kaliebe und André Wiegold von ‘Leadlap.de’ in Florida zu Gast – Die beiden NASCAR-Fans berichten von ihren Erlebnissen

Liebe Leadlap.de-Leser,

wir hatten Glück, großes Glück, denn wir konnten im Februar eine Reise in die USA erleben, ohne die Corona-Krise im Nacken zu haben. Unser Ziel war Daytona in Florida, um das Daytona 500 2020 mit eigenen Augen zu erleben. Es war unser zweiter Besuch im “Sunshine State” gekoppelt mit dem “Great American Race”.

Doch bevor wir zum Daytona International Speedway gepilgert sind, stand ein für uns sehr wichtiger Programmpunkt auf der Liste: die World Series of Asphalt Stock Car Racing am New Smyrna Speedway. Im Jahr 2018 hatten wir das Halbmeilen-Oval unweit von Daytona bereits besucht, aber damals waren die Tore geschlossen und V8-Motoren verstummt.

Ein echtes Erlebnis: Der New Smyrna Speedway

In diesem Jahr war alles anders, denn wir verzichteten dieses Mal bewusst auf die “Duels” der NASCAR Cup Series, um das Schmuckkästchen zu besuchen. Angekommen auf dem Parkplatz – es war schon dunkel – ging es durch die Tore des Speedways. An einer kleinen Kasse bezahlten wir die 30 Dollar Eintritt und schon durften wir auf den Tribünen Platz nehmen.

Credits: André Wiegold

Doch zuerst zeigte sich der Geist dieser “Grass Root Racing”-Veranstaltung: es gab ein kleines Programmheftchen zu kaufen, der Erlös wurde für wohltätige Zwecke gespendet. Die Streckenkommentatoren saßen hinter der Tribüne mitten im Eingangsbereich der Anlage an einem sehr obligatorisch eingerichteten Tischchen. Laptops und Mikrofone, mehr brauchten die beiden nicht, um die zahlreichen Fans zu unterhalten.

Erstmals ging es rauf auf die Haupttribüne und sofort kam das Venray-Feeling auf, denn wir konnten problemlos die komplette Strecke überblicken. Steilkurven mit bis zu 20 Grad Banking, eine kleine Boxengasse und ein Großteil des Fahrerlagers im Infield: das war’s eigentlich schon. Am Start waren die Pro Late Model Series, die Super Late Models und zwei Modified-Serien.

Wie in Venray gab es kurze Sprintrennen von 35 Runden je Lauf. Insgesamt erwarteten uns vier Läufe der oben genannten Klassen. Doch bevor es losging, durfte die Zeremonie nicht fehlen. Große Trucks beförderten eine USA-Flagge um den Speedway, während die Nationalhymne gesungen wurde. Anschließend wurden die Motoren der Pro-Late-Model-Klasse mit den “most famous words of motorsport – drivers, start your engines” angeschmissen.

Zu diesem Zeitpunkt saßen wir nicht mehr auf der Tribüne, denn von dort aus haben wir uns erst einmal die Qualifyings angeschaut. Das erste Rennen verfolgten wir aus dem Infield, das für weitere 15 Dollar besucht werden durfte. Wir standen mitten bei den Teams an der Boxenmauer, durften uns die Autos von Nahem ansehen und haben auch mit vielen Teammitgliedern gesprochen – darunter Gil Linster, der in New Smyrna mit TGS Competition an den Start gegangen ist.

Credits: André Wiegold

Und dann brüllten sie, die V8-Motoren der rund 20 Starter. 35 Runden lang durften wir spektakuläre Zweikämpfe bestaunen. Natürlich haben wir immer wieder – auch mit Patrick Heckhausen, Fahrer der V8 Oval Series in Venray – Venray-Vergleiche gezogen. Der Raceway Venray in den Niederlanden kann einer Anlage wie dem New Smyrna Speedway problemlos das Wasser reichen.

Das Racing war aber etwas anders, auch aufgrund der Regeln in den USA. Die Fahrer dürfen ihre Linie jederzeit frei wählen und auch die Erfahrung der Piloten hatte großen Einfluss auf die Action. Wir sind uns einig, dass in den USA deutlich aggressiver und härter gefahren wird, aber aufgrund der jahrelangen Erfahrung der Fahrer weniger passiert. Gelbphasen waren Mangelware, obwohl es immer wieder zu hartem Kontakt kam.

Die anderen Rennen schauten wir uns von der Holztribüne – die nichts für Menschen mit Höhenangst ist, weil große Lücken zwischen den Balken waren – und von der Haupttribüne aus an. Das Fazit: es war einfach genial. Das Racing war klasse, das Event super organisiert und die Rennen wurden einzigartig inszeniert, das können die Amis eben! Außerdem war es eine wichtige Erfahrung, um die Wurzeln des NASCAR-Sport so richtig zu verstehen.

Die Profis in Daytona: NASCAR Gander RV & Outdoors Truck Series

Am Freitag stand dann das Truck-Rennen auf dem Programm. Nach einigen Trainings aller Klassen, war am Abend das Rennen der dritten nationalen NASCAR-Liga geplant, doch der Wettergott meinte es nicht gut mit uns. Es wurde kalt und nass, weshalb der Start nach hinten verschoben werden musste.

Doch dann ging es endlich los, die grüne Flagge wurde geschwenkt und die NASCAR-Saison 2020 war endlich eröffnet. Wir hatten, dank unserer Hot-Pässe, einen ganz besonderen Platz. Wir standen an der Boxenmauer direkt beim Team von Matt Crafton. Wir hatten damit einen tollen Blick auf den berühmten D-Bogen und haben das restliche Rennen auf den riesigen Leinwänden verfolgt.

Credits: André Wiegold

Dabei waren die Boxenstopps natürlich das absolute Highlight. Crafton fuhr ran und nur rund 13 Sekunden später war er auch schon wieder weg. In dieser Zeit wurden vier Reifen mit jeweils fünf Radmuttern gewechselt, natürlich mit Wagenheber, und das Auto aufgetankt. Vorher hatten sich die Boxenmannschaften warm gemacht, was wir ebenfalls genau anschauen konnten. In der kurzen Regenunterbrechung spielten die Crewmitglieder sogar direkt vor unserer Nase Football.

Ein kleine Anekdote: Vor dem Rennen fand Ramona, die Lebensgefährtin von Patrick Heckhausen, eine Radmutter von Grant Enfinger mit der Startnummer 98. Immer wieder präsentierte sie uns ihre “Lucknut” (ihr versteht schon) mit dem Hinweis, “der wird sicherlich gewinnen”. Genau so kam es auch: In einem irren Sprint zur Ziellinie setzte sich Enfinger durch und gewann das Rennen.

Der zweite Tag in Daytona: NASCAR Xfinity Serie

Am Samstag stand das Rennen der NASCAR Xfinity Series auf dem Programm. Endlich durften wir auch die herrlichen Temperaturen im Winter von Florida so richtig spüren. Während es am Vortag noch kühl und nass war, brutzelte die Sonne uns am Samstag so richtig durch. Dieses Mal nahmen wir auf der Tribüne Platz, um das Rennen zu verfolgen.

Credits: André Wiegold

Unsere Plätze hatten wir am Ende der Boxengasse im Unterrang ganz oben. Von dort aus hatten wir keine Probleme, den kompletten 2,5 Meilen langen Kurs zu überblicken. Nach einem spannenden Rennen drehte Noah Gragson seine Sieger-Donuts. Es war sein erster Sieg in der NASCAR Xfinity Serie.

Zwei Tage NASCAR Cup Series dank des Regens

Am Sonntag war irgendwie alles anders, denn Präsident Donald Trump hatte sich für einen Besuch in Daytona angekündigt. Das gesamte Sicherheitspersonal wurde durch Beamte des “Secret Service” ausgetauscht. Die Kontrollen waren deutlich strikter und deshalb waren die Schlangen an den Toren auch viel länger. Dennoch klappte alles sehr zügig, weshalb wir recht schnell auf dem Gelände waren.

Die Show rund um das Cup-Rennen war natürlich deutlich imposanter als an den beiden Vortagen. Für die Konzerte nahmen wir auf dem heiligen Rasen am D-Bogen Platz. Die Fahrerpräsentation bestaunten wir direkt vom Banking des Bogens aus und dabei waren wir nur wenige Meter von den Protagonisten entfernt. Patrick holte sich noch sein High-Five von Alex Bowman ab, der auf dem Truck an uns vorbeifuhr – so nah kommen Fans nur im NASCAR-Sport an ihre Helden heran!

Credits: André Wiegold

Natürlich durfte das Unterschreiben auf der Ziellinie – in unserem Fall auf der gelben Linie – nicht fehlen. Wir hatten keine Chance, uns auf der Ziellinie zu verewigen, weil die Massen dort keinen Platz mehr gelassen haben. Von unserem Platz im Infield aus durften wir auch sehen, wie die “Air Force One” über den Speedway flog, um dann direkt am Flughafen neben der Gegengeraden zu landen. Nach zwei bis drei Stunden Vorgeplänkel ging es auf die Tribüne.

Dann ging es recht schnell, weil die offizielle Zeremonie begann. Erst kam das Gebet, dann die Nationalhymne. Der “Fly-Over” der “Thunderbirds” war – wie beim ersten Mal – ein echter Gänsehautmoment. Nach einer kurzen Ansprache eröffnete Donald Trump mit den Worten “Gentlemen, start your engines” das Rennen. Wieder flogen die Thunderbirds über das Stadion, dieses Mal in der berühmten Sternformation – ein absolutes Highlight.

Großartig war auch die Ehrenrunde für Jimmie Johnson, der am Ende der Saison 2020 nicht mehr als Vollzeit-Pilot im Cup starten wird. Er durfte das Feld in den Einführungsrunden anführen. Gänsehaut pur, auch weil die über 100.000 Zuschauern völlig ausgerastet sind.

Viel Rennen haben wir dann aber nicht gesehen. Die Lichter am Pace-Car waren schon aus und alle waren bereit für das Daytona 500, doch dann gingen die Lichter rund 400 Meter vor der grünen Flagge wieder an – der erste Regen setzte ein. Die grüne Flagge, geschwenkt von Dale Earnhardt Jr. – sahen wir dennoch.

20 Runden haben wir an diesem Tag immerhin erlebt, doch dann ging in Daytona die Welt unter. Es stürmte und regnete wie aus Eimern, weshalb das Rennen auf Montag verschoben wurde. Auf dem Weg zum Auto, das wir im Infield parken durften, wurden wir komplett nass.

Dabei ist uns eines aufgefallen: Auf dem gesamten Gelände des Speedways haben wir keinen einzigen Gulli entdeckt. Das war sicher auch der Grund, warum wir in Zentimeter hohen Pfützen standen. Ganze zwei Stunden haben wir dann für den Rückweg gebraucht, der eigentlich nur rund 20 Minuten dauert.

Der zweite Versuch am Montag

Am Montag schien dann wieder die Sonne und das Daytona 500 konnte endlich seinen gewohnten Gang nehmen. Das Rennen wurde eröffnet und es gab das erwartet spannende Rennen. Lange war es ruhig, denn es gab nur einen Abflug von William Byron. Doch der “Big One” musste kommen. Im Fokus einer sehr zerfahrenen Endphase stand aber der Crash von Ryan Newman.

Die gut 70 Prozent gefüllte Tribüne bebte in der letzten Runde. Alle Fans standen auf ihren Füßen, als es dann plötzlich krachte. Auf eine kurze Freude über den spektakulären Sieg von Denny Hamlin folgte eine gespenstische Stille, denn Newman konnte sein Fahrzeug nicht aus eigener Kraft verlassen. Ein Sichtschutz wurde aufgebaut und der “Rocket Man” musste aus seinem Auto geschnitten werden.

Credits: André Wiegold

Informationen gab es keine. Wir haben nur erfahren, dass die Medien die Boxengasse verlassen mussten. Mit einer sehr gedrückten Stimmung ging es zum Auto. Immer wieder schnappten wir Vergleiche zum Jahr 2001 auf, in dem Dale Earnhardt Sr. im Daytona 500 tödlich verunglückt war. Zum Glück kam an den folgenden Tagen nach und nach gute Nachrichten, die darin gipfelten, dass Newman Hand in Hand mit seinen Töchtern das Krankenhaus verlassen konnte – nahezu unverletzt.

Das Fazit: Daytona ist etwas ganz Besonderes

Beim ersten Besuch des Daytona International Speedway im Jahr 2018 wurden wir von den Eindrücken erschlagen und emotional komplett eingenommen. Beim zweiten Mal sind wir etwas nüchterner an die Reise herangegangen. Wir haben viele kleine Details ganz anders wahrnehmen können als noch bei unserem NASCAR-Debüt.

Credits: Ramona Naß

Die Rennen in Daytona halten, was sie versprechen: Spannung und Action pur! Das Wetter in Florida mit bis zu 35 Grad ist natürlich ebenfalls ein großartiger Nebeneffekt, denn wer genießt nicht schon sommerliche Bedingungen im Winter? Für uns war es ein großartiges Wochenende und sicherlich nicht der letzte Besuch im Sunshine State.

Zu unserer Reise gehörten noch weitere Highlights wie ein Raketenstart von SpaceX, der Besuch des Kennedy Space Center, das North Turn Restaurant an der Atlantic Ave, eine ganze Woche in Miami und ein Besuch von Key West. Diesen Teil sehen wir aber als privat an und ein ausführlicher Bericht würde hier den Rahmen sprengen. Für jeden NASCAR-Fan ist der Daytona International Speedway einfach ein Muss und für uns war der zweite Besuch wieder ein Erlebnis, an dem wir uns unser Leben lang erinnern werden.

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André Wiegold und Sarah Kaliebe-Wiegold