Von 100 auf 0: Bubba Wallace bringt Kritiker zum Schweigen

Von 100 auf 0: Bubba Wallace bringt Kritiker zum Schweigen
Foto: NASCAR Media / Justin Casterline/Getty Images

Nach 100 Rennen ohne Sieg hat Bubba Wallace seine Durststrecke in der NASCAR Cup Series beendet, indem er das Rennen in Indianapolis gewann

Erst streckte Bubba Wallace die Arme in die Luft, dann legte er symbolisch den Zeigefinger über die Lippen, um seine Kritiker verstummen zu lassen. Der 23XI-Pilot überzeugte in zwei Overtime-Versuchen auf dem Indianapolis Motor Speedway und ließ Kyle Larson hinter sich. Damit gewann der 31-Jährige nach 100 Rennen erstmals wieder ein NASCAR-Rennen auf Cup-Ebene – und das war kein Zufall.

Das 2,5-Meilen-Oval war schon immer gut für Wallace, der 2024 dort bereits Platz fünf erreichte. In der Vergangenheit hat es der polarisierende Rennfahrer aus Alabama jedoch in aussichtsreichen Situationen immer wieder nicht geschafft, mit dem Druck umzugehen. Immer wieder gaben seine Schultern unter der Last nach, doch in Indianapolis zeigte Wallace, was er leisten kann.

Das Team 23XI Racing war generell gut aufgestellt. Auch Tyler Reddick hatte eine gute Pace in seinem Toyota Camry mit der Startnummer 45. Ein Crash in der entscheidenden Phase des Rennens warf ihn jedoch aus den Top 10. Wallace hingegen ließ Kyle Larson, der beim finalen Stopp noch vier neue Reifen aufgezogen hatte, bei den beiden Overtime-Restarts keine Chance. Beim zweiten Versuch, das Rennen in die Bücher zu bekommen, wusste Wallace nicht einmal, ob der Sprit reichen würde.

Wallace brillierte auf seinen zwei neuen Reifen, profitierte von einer guten Strategie sowie perfekten Boxenstopps, zog sein Ding durch und hatte sogar noch genügend Benzin für ausgiebige Burnouts nach der Zieldurchfahrt, um seinen dritten Karrieresieg nach Talladega (2021) und Kansas (2022) zu feiern. Doch bis zur Victory-Lane und dem Kuss der berühmten Brickyards war es ein steiniger Weg – und etwas Glück gehörte auch dazu.

Penske-Pech und Wallace-Drama

Mit Joey Logano und Austin Cindric zeigte Penske in einem von Strategien geprägten Rennen nicht nur ein gutes Händchen am Kommandostand – die Fords gingen auch richtig gut. Doch erst fiel Cindric mit einem Reifenschaden zurück, dann erwischte es auch Logano, der die Führung inne hatte, nachdem er einen Boxenstopp absolviert hatte. Diese erbte Wallace dank seiner starken Leistung.

Foto: NASCAR Media / Justin Casterline/Getty Images

Als noch sechs Runden zu fahren waren, hatte Wallace etwas mehr als drei Sekunden Vorsprung auf Larson. Der verkürzte den Rückstand auf Platz eins zwar Runde für Runde, schien aber nicht entscheidend an den #23 Camry heranzukommen. Doch dann sorgte das Wetter noch einmal für eine Menge Chaos, als es plötzlich anfing zu regnen. Die Strecke musste getrocknet werden und das Rennen wurde mit der ersten Overtime wieder aufgenommen.

Es kam, wie es kommen musste: In der ersten Runde des ersten Versuchs krachte es, gerade als Larson zum Angriff gegen Wallace ausholen wollte. Es gab Gelb und NASCAR kündigte die zweite Overtime an. Hinter dem Pace-Car kam vom 23XI-Kommandostand die Durchsage, dass der Sprit in Wallaces Auto womöglich nicht ausreichen würde. Doch er blieb auf der Strecke und setzte sich im zweiten Versuch gegen Larson durch.

Klare Worte von Wallace

„Ich bin so stolz auf das Team“, so Wallace nach dem Rennen. „Der Adrenalinstoß ist völlig verrückt, das habe ich gerade erlebt. Ich bin völlig fertig. Es ist unglaublich. Hier auf dem Brickyard zu gewinnen – wir wissen, wie groß dieses Rennen ist und wie viele Hintergrundgeräusche es gerade gibt – ist ein Leistungsnachweis des #23-Teams. Ich bin es leid, immer am Rande der Playoffs zu stehen.“

Genau das war Wallace vor dem Rennen: Er lag auf Platz 16 und hätte sich gerade so über die Punkte für die Playoffs qualifiziert. Er befand sich in einem intensiven Kampf mit Ryan Preece um jeden einzelnen Zähler. Doch jetzt muss sich der Fahrer des 23XI-Teams keine Sorgen mehr machen, denn mit dem Rennsieg von Indianapolis hat er sich das Playoff-Ticket gesichert. Wallace wird 2025 Teil der Playoffs sein, weil er nach 100 Rennen wieder in die Victory-Lane gefahren ist.

Foto: NASCAR Media / Jonathan Bachman/Getty Images

Im Siegerinterview wurde er gefragt: „Wie viele Tage sind seit deinem letzten Sieg vergangen?” Die Antwort: „100 Rennen.“ Wallace unterbrach sofort und stellte klar: „Null!” Den Triumph beim Brickyard 400 feierte er mit seiner Frau und seinem noch sehr jungen Kind. Anschließend gab es mit 23XI Racing eine Party, wie in den sozialen Medien zu sehen war. Wallace hat in der NASCAR – nur schon wegen seiner Hautfarbe, aber auch wegen seines polarisierenden Charakters – Feinde, doch die Kritiker hat er mit dem Sieg verstummen lassen.

Ein Blick auf den Rest

Die erste Stage des Rennens ging an Polesitter Chase Briscoe, der in Indianapolis seine fünfte Pole-Position der Saison 2025 geholt hatte. Das zweite Segment gewann Ryan Blaney, der sofort nach dem Stage-Ende an die Box musste, da sein Ford keinen Sprit mehr hatte. Larson musste sich am Ende mit Platz zwei zufriedengeben, zeigte in seinem Formtief aber wieder eine solide Leistung.

Für ihn wäre ein Sieg in Indianapolis wahrscheinlich ein großer Motivationsschub gewesen, denn seit seinem Ausfall beim Indy 500 und Coke 600 im Sommer ist der Kalifornier nicht mehr auf seinem gewohnten Level unterwegs. Platz drei ging an Denny Hamlin, der im Ersatzauto von ganz hinten starten musste. Doch das einzige Kronjuwel, das ihm in seiner Karriere noch fehlt, blieb dem 44-Jährigen verwehrt.

Ryan Preece wurde vor Brad Keselowski starker Vierter. Dahinter reihten sich Todd Gilliland, Blaney, Christopher Bell, Alex Bowman und Carson Hocevar ein. Ty Gibbs wurde 21. und gewann die eine Million Dollar Preisgeld in der In-Season-Challenge, in deren Finale er auf Ty Dillon traf. Dillon fiel nach einem Kontakt bei einem der Restarts mit einer beschädigten Front weit zurück und wurde letztlich nur auf Platz 28 gewertet.

Ein Blick auf die Playoffs

13 Fahrer haben sich über mindestens einen Rennsieg für die Playoffs qualifiziert. Aktuell würden drei Fahrer über die Punkte die Endrunde erreichen: Tyler Reddick, Alex Bowman und Chris Buescher. Letzterer hat 42 Punkte Vorsprung auf seinen RFK-Teamkollegen Preece. Kyle Busch (-81 Punkte) und Gibbs (-95 Punkte) müssen in den letzten vier Rennen der regulären Saison wohl siegen, wenn sie es noch in die Playoffs schaffen wollen.

Aber Obacht: Theoretisch kann ein Fahrer mit einem Rennsieg die Qualifikation verpassen, wenn es in Iowa, Watkins Glen, Richmond und Daytona noch vier Premierensieger gibt. Der Fahrer, der trotz eines Sieges auf Platz 17 der Playoff-Setzliste stehen würde, hätte in diesem unwahrscheinlichen Fall das Nachsehen. Wallace liegt nach seinem Sieg auf Platz neun und muss sich wohl keine Sorgen machen, denn er wird 2025 um den Titel kämpfen.

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Freiberuflicher Kommentator & Journalist | Zur Webseite |  + posts

Andrés Faszination für den Motorsport begann in seiner Kindheit, als er regelmäßig Ovalrennen in den Niederlanden besuchte und abends NASCAR- sowie IndyCar-Rennen im TV verfolgte. Während seines Ökonomiestudiums begann er 2014 als Hobby-Redakteur über den Rennsport zu schreiben und machte seine Leidenschaft zum Beruf. Heute ist er NASCAR-Kommentator bei Sportdigital1+ und begleitet IndyCar & IMSA live auf Motorvision+ – dazu kommen viele weitere Rennserien im Highlights-Format. Als Redakteur schreibt er für Motorsport-Total, Motorsport.com und Formel1.de und ist zudem Reporter, Kommentator und Redakteur im Mediateam der NASCAR Euro Series.

André Wiegold

Andrés Faszination für den Motorsport begann in seiner Kindheit, als er regelmäßig Ovalrennen in den Niederlanden besuchte und abends NASCAR- sowie IndyCar-Rennen im TV verfolgte. Während seines Ökonomiestudiums begann er 2014 als Hobby-Redakteur über den Rennsport zu schreiben und machte seine Leidenschaft zum Beruf. Heute ist er NASCAR-Kommentator bei Sportdigital1+ und begleitet IndyCar & IMSA live auf Motorvision+ – dazu kommen viele weitere Rennserien im Highlights-Format. Als Redakteur schreibt er für Motorsport-Total, Motorsport.com und Formel1.de und ist zudem Reporter, Kommentator und Redakteur im Mediateam der NASCAR Euro Series.
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